Der Schlaf und die Argumentation mit den Vorfahren

Joseph Everett hat auf seinem YouTube-Kanal What I’ve Learned ein interessantes Video zum Thema Schlaf veröffentlicht. In diesem Video geht es unter anderem darum, wie viel Schlaf wir brauchen, ob wir Schlaf nachholen können, wie Schlaf unsere Effektivität, unser Gesundheit und unsere Lebensdauer beeinflusst, welche Faktoren unseren Schlaf positiv beeinflussen, und welche Rolle die Zeit, das Licht, die Temperatur und die Nahrung dabei spielt.

Was ich besonders gut fand: Everett gibt ein schönes Beispiel gegen die häufige, spekulative und sich wissenschaftlich gebende Argumentation mit den Vorfahren. Diese Argumentation läuft etwa wie folgt ab: Man spekuliert darüber, wie unsere Vorfahren waren und gelebt haben. Unsere Vorfahren haben sich durch uns, ihre Nachfahren, durchgesetzt, also war ihr Verhalten gut und vorbildlich, weil sie sich sonst nicht durchgesetzt hätten. Die Vergangenheit unserer Vorfahren erklärt und bestimmt daher die Gegenwart ihrer Nachfahren und damit uns. Wir sollten uns daher an unseren Vorfahren in unserem Lebensstil und für Erklärungen der Gegenwart orientieren. Diese Argumentation ist mir besonders bei den Themen Evolution, Soziologie, Dating und Paleo-Diät begegnet.

Das Problem mit dieser Argumentation ist, dass wir nur sehr wenig über unsere Vorfahren sicher wissen, und daher ein Großteil dieser sich wissenschaftlich gebenden Spekulationen unsicher ist, und somit die Theorie, die fälschlicherweise oft als wissenschaftliches Faktum dargestellt wird, stark von den Grundannahmen dieser Theorie abhängt, die natürlich auch denkbar anders sein könnten. Ich habe kein Problem damit, dass man wissenschaftliche Theorien aufstellt, im Gegenteil, das gehört zu dem gesunden und guten wissenschaftlichen Prozess; sondern ich habe ein Problem damit, dass man hochgradig spekulative Theorien als gesichertes Wissen und damit als Ergebnisse der Wissenschaft darstellt.

Die von Everett in dem Abschnitt Ancient Humans weren’t sleep deprived? Doubt it. gezeigten Naturvölker sind ein schönes Gegenbeispiel gegen die beschriebene Argumentation. Matthew Walker meint, dass die Natur nie zuvor mit Schlafentzug umzugehen hatte, weil unsere Vorfahren kein Problem mit Schlafentzug hatten. Dagegen spricht, dass die Naturvölker, die wir beobachten können, und unseren vermuteten Vorfahren am nächsten stehen, doch Schlafentzug haben und diesen beschreiben. Matthew Walker liegt daher sehr wahrscheinlich falsch mit seiner Rede über das Schlafverhalten unserer Vorfahren und somit werden die Schlüsse, die er weiter daraus zieht, fraglich.

Wenn man nun so wie Walker argumentieren will, sollte man seine Argumentation auch als auf unsicheren Grundannahmen beruhend kennzeichnen. Wer diese Argumentation und ihre Schlüsse als gesichertes Wissen darstellt, sagt die Unwahrheit. Ähnliches gilt besonders für die Bereiche Evolution, Soziologie, Dating und Paleo-Diät.

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