Bibelkreise zu Mt 17,14-20: Die Heilung eines mondsüchtigen Jungen

Matthäus 17,14–20 (LU):

Parallestellen: Mk 9,14–29; Lk 9,37–42

14 Und als sie zu dem Volk kamen, trat ein Mensch zu ihm, kniete vor ihm nieder 15 und sprach: Herr, erbarme dich über meinen Sohn! Denn er ist mondsüchtig und hat schwer zu leiden; er fällt oft ins Feuer und oft ins Wasser; 16 und ich habe ihn zu deinen Jüngern gebracht und sie konnten ihm nicht helfen. 17 Jesus aber antwortete und sprach: O du ungläubiges und verkehrtes Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn mir her! 18 Und Jesus bedrohte ihn; und der Dämon fuhr aus von ihm, und der Knabe wurde gesund zu derselben Stunde.

19 Da traten die Jünger zu Jesus, als sie allein waren, und sprachen: Warum konnten wir ihn nicht austreiben? 20 Er aber sprach zu ihnen: Wegen eures Kleinglaubens. Denn wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so könnt ihr sagen zu diesem Berge: Heb dich dorthin!, so wird er sich heben; und euch wird nichts unmöglich sein.

Ich will nun im Folgenden eine kurze Zusammenfassung der Bibelkreise geben, in denen wir uns mit diesem Text auseinandergesetzt haben:

Kurze Bemerkungen

In allen drei Evangelien folgt dieser Textabschnitt der Verklärung Jesu.

Mondsüchtig meint Schlafwandelnd. In den Kommentaren ist auch die Beschreibung als Epileptiker zu finden, die, jedenfalls wenn man von den Symptomen ausgeht, zutreffend erscheint, wobei die Ursache der Mondsucht nach dem Text in der Besessenheit durch einen Dämon oder unreinen Geist liegt. Epilepsie wird medizinisch durch eine übermäßige Aktivität von Hirnbereichen verursacht.


Ungläubiges und verkehrtes Geschlecht

Jesus sagt in Vers 17 ,,O du ungläubiges und verkehrtes Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen?” Wir haben uns gefragt, wen Jesus hier mit ,,ungläubiges und verkehrtes Geschlecht” anspricht. Am naheliegendsten scheint er damit die Jünger zu adressieren, die nicht mit auf dem Berg der Verklärung waren, und die er schon in Mt 10 mit dem Austreiben von Dämonen beauftragt hat, und somit ihnen diese Gabe verliehen hat, und die nun wegen ihrem Kleinglauben (siehe Vers 20) diesen Dämonen nicht austreiben konnten. Jesus hat öfters Menschen, darunter auch seine Jünger, für ihren Unglauben oder Kleinglauben kritisiert (siehe z.B. Mt 6,30; 8,26; 14,31; 16,8; Mk 16,14). Jesus war sündlos und sein Leben entsprach vollkommen dem Willen Gottes, so kann man leicht nachvollziehen, dass ihm die Sünden, der Unglaube und die Schwächen seiner Mitmenschen zu schaffen machten. Die Diskussionen mit den Pharisäern z.B. dürften kräftezehrend gewesen sein. Übrigens lesen wir im Paralleltext in Mk 9, dass die Jünger sich mit den Schriftgelehrten stritten, bevor Jesus zu ihnen kam.

In Hebräer 12 heißt es ,, Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist,und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. 3 Gedenkt an den, der so viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, dass ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.” (Hervorhebung von mir). Wer schon so manche Erfahrung mit bösartig gesinnten Menschen gemacht hat, weiß, wie viel unnötige Mühe diese einem machen können, und kann sich an dieser Stelle gut in Jesu Situation hineinversetzen. Auch in den Jüngern kann sich der gläubige Christ gut wiederfinden, denn wie oft sind wir schon gescheitert, obwohl wir doch die Kraft und das Wissen besessen haben, mit dem wir besser hätten handeln können. Der Text macht die Größe Jesu deutlich und die gewaltige Last, die er durch Gott fähig war zu tragen, daher stellt der Schreiber des Hebräerbriefes Jesus auch als Vorbild hin.

Glaube und Heilung

Wir haben uns weiter über den Zusammenhang zwischen Glauben und Heilung Gedanken gemacht. Die Jünger konnten den Dämon nicht wegen ihrem Unglauben austreiben. Spätere Überlieferungen fügen im Vers 21 ,,Aber diese Art fährt nur aus durch Beten und Fasten” hinzu und in der Parallelstelle in Mk 9,29 heißt es ,,Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten.”. Hätten die Jünger einen stärkeren Glauben gehabt, hätten sie den Dämon ausgetrieben. An diesem Beispiel haben wir uns dann Gedanken darüber gemacht, ob Glaube Heilung garantiert.

Zum einen sagt Jesus ja in Vers 20 ,,Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so könnt ihr sagen zu diesem Berge: Heb dich dorthin!, so wird er sich heben; und euch wird nichts unmöglich sein.” und im Paralleltext in Mk 9 heißt es so schön ,,Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! 23 Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. 24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben!” Nach diesen beiden Texten scheint auf den ersten Blick der Heilung durch Glauben nichts im Wege zu stehen.

Zum anderen sagt Jesus, nachdem er auferstanden war, zu den Elf Jüngern in Mk 16,15-18: ,,Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. 16 Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. 17 Die Zeichen aber, die folgen werden denen, die da glauben, sind diese: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, in neuen Zungen reden, 18 Schlangen mit den Händen hochheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird’s ihnen nicht schaden; Kranken werden sie die Hände auflegen, so wird’s gut mit ihnen.” (Hervorhebung von mir). Vers 17 und 18 trifft auf die Taten der Apostel mit Sicherheit zu, die in der Apostelgeschichte des Lukas beschrieben werden. Die Worte ,,Die Zeichen aber, die folgen werden denen, die da glauben, sind diese:” kann man weiter durchaus als allgemeine Formulierung verstehen, das heißt, dass denjenigen, die wahrhaftig glauben, und das gilt dann für alle, die zeitlich auf diese Worte Jesu folgen, werden die beschriebenen Taten folgen, also durch ihren Glauben und die Kraft Gottes werden sie diese Werke tun, darunter auch Dämonen Austreibungen und Heilungen. Jesus spricht hier von einer Gruppe von Gläubigen.

Zum anderen macht Jesus dazu noch deutlich, dass er zum Vater geht, und daher seine Nachfolger die Werke Jesu tun werden und darüber hinaus noch größere Werke tun werden als die Werke, die Jesus getan hat. Jesus sagt in Joh 14,12-14: ,,12 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und wird größere als diese tun; denn ich gehe zum Vater. 13 Und was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, auf dass der Vater verherrlicht werde im Sohn. 14 Was ihr mich bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun.” (Hervorhebung von mir).

Ein kurzer Einschub zu Joh 14,12

Ich bin beim Schreiben und Nachdenken über Joh 14,12 auf folgendes Problem gestoßen, dass ich hier als kurzen Einschub beschreiben und dann lösen möchte: Jesus sagt in Joh 14,12: ,,Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und wird größere als diese tun; denn ich gehe zum Vater."

Mit Modus tollens (Siehe Wikipedia: Modus tollens) folgt aus diesem Vers: Wer nicht die Werke Jesu tut (darunter die Wunder Jesu), der glaubt nicht an Jesus.

Modus tollens ist der Schluss von 1. und 2. auf 3.:

1. A => B

2. nicht-B

3. nicht-A

Jesu Aussage formalisiert und kurzgefasst ist dann:

A: ,,Wer an mich glaubt,"

B: ,,der wird die Werke auch tun, die ich tue,"

Ich lasse hier mal wegen der Einfachheit den zweiten Teil mit den größeren Werken weg.

nicht-B: ,,der wird die Werke nicht tun, die ich tue,"

nicht-A: ,,Wer nicht an mich glaubt,"

Im Bibelkreis haben wir uns dafür ausgesprochen, dass die Aussage falsch ist, dass aus ausbleibendem Wunder oder Heilung Unglaube folgt, aber der Schluss oben aus Joh 14,12 mit Modus tollens scheint dem nun zu widersprechen. Wie ist nun dieses Problem zu lösen? Liegt ein Fehler vor?

Hier ist eine Lösung für das Problem: Es ist entscheidend, was unter ,,die Werke" zu verstehen ist. Meint Jesus z.B. damit ALLE seine Werke oder nur EINEN TEIL seiner Werke? Der Plural von ,,Werke" lässt grammatisch beides zu. Wenn Jesus alle meint, dann haben wir das Problem. Wenn Jesus nur einen Teil meint, dann haben wir kein Problem.

Hier ein Beispiel: Jesus hat 10.000 Werke getan und davon sind 3.000 Wunderwerke und 7.000 nicht. (Die Zahlen sind fiktiv und dienen nur der Veranschaulichung.). Der Gläubige wird nun vergleichbare Werke Jesu tun und hierfür kommen 3 denkbare Fälle in Betracht:

1. Der Gläubige tut nur Wunderwerke. (Das ist unmöglich.)

2. Der Gläubige tut mehrere Werke und auch Wunderwerke (mindestens eins). (Das ist möglich, Beispiel: Apostel.)

3. Der Gläubige tut nur Werke und keine Wunderwerke. (Das ist möglich und betrifft wohl die Mehrheit der Gläubigen.)

Für beide möglichen Fälle gilt: Der Gläubige tut die Werke Jesu. Also wird wohl Jesus in Joh 14,12 mit ,,Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue,” einen Teil seiner Werke gemeint haben und das ist die Lösung für das angesprochene Problem. Das war der kurze Einschub.

Diese Texte haben mehrere Fragen aufgeworfen: Könnte es sein, dass wir so wenig Wunder und Heilungen wahrnehmen, weil unser Glaube so schwach ist? Jesus konnte z.B. in Nazereth nur wenige Wunder tun wegen dem Unglauben der Nazarener (siehe Mt 13,53-58; Mk 6,1-6). Sind Wunder ein Kennzeichen des wahrhaftigen Glaubens und folgen die Wunder in natürlicher Weise dem wahrhaftigen Glauben? Hierzu ist es wichtig zu bemerken, dass Gott die Wunder durch Menschen tut und Gott souverän handelt und Wunder Gottes eine Gnade Gottes sind und nicht ein Mittel des Menschen, über das der Mensch selbstständig ohne Gott verfügen könnte. Wunder geschehen also nur, wenn die Wunder dem Willen Gottes entsprechen und Gott so seine Zustimmung dazu gibt.

Ferner ist noch festzuhalten, dass es Gaben Gottes sind, jemanden gesund zu machen und Wunder zu tun. Diese Gaben können unterschiedlich sein und werden vom Geist Gottes zugeteilt, wie er will. In 1 Kor 12,4-11 heißt es: ,,4 Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist.Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr.Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen. 7 Durch einen jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller. 8 Dem einen wird durch den Geist ein Wort der Weisheit gegeben; dem andern ein Wort der Erkenntnis durch denselben Geist; 9 einem andern Glaube, in demselben Geist; einem andern die Gabe, gesund zu machen, in dem einen Geist; 10 einem andern die Kraft, Wunder zu tun; einem andern prophetische Rede; einem andern die Gabe, die Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem andern die Gabe, sie auszulegen. 11 Dies alles aber wirkt derselbe eine Geist, der einem jeden das Seine zuteilt, wie er will.” Nicht jedem Gläubigen wird also die Gabe gesund zu machen und die Kraft Wunder zu tun von Gott gegeben.

Weiter ist es wichtig zu bemerken, dass der Rückschluss von ausbleibenden Wundern auf den Unglauben nicht gültig ist. Ja, dem wahrhaften Glauben können Wunder folgen, aber wenn dem Glauben keine Wunder folgen, muss das noch nicht den Unglauben als Ursache haben. Es gibt keine Garantie oder kein Anrecht auf Wunder. Gott bestimmt, wann und wie er Wunder tun, und durch wen. Einem gläubigen Menschen, der krank ist, zu seinem Unglück der Krankheit noch dazu seinen Glauben abzusprechen und ihm so die Schuld für seine Krankheit zuzuschreiben, ist ungerecht, verurteilend und anmaßend. Gott bewahre uns vor so leichtfertigen Urteilen!

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